Hallo und willkommen zu unserer heutigen Vertiefung. Wir schauen uns für dich heute eine Sammlung ja ziemlich persönlicher, aber auch juristisch sehr dichter Dokumente an. Das sind Schriftsätze von Arno Wagener, gerichtet an Gerichte und Behörden. Und dazu gibt es auch einiges an Begleitmaterial. Im Kern geht es um einen jahrzehntelangen Kampf. Ja, ein langer Kampf. Genau. Den Kampf um das Recht, sein Leben selbst zu bestimmen und teilzuhaben. Gerade als Mensch im Autismus Spektrum und zwar unabhängig davon, ob man Sozialleistungen bezieht oder nicht. Und genau im Mittelpunkt, da steht dieser Konflikt mit dem Jobcenter, mit dem Sozialamt und auch mit der Sozialgerichtsbarkeit. Diese Dokumente, die der Autor selbst manchmal als Teil eines Verfahrens Querulantia bezeichnet, die sind voll von Kritik. An was genau? An der Art, wie Ämter arbeiten, wie Verfahren laufen. Und sie wehren sich gegen eine Diagnose, die ihm wahnhaftes Querulantentum bescheinigt. Der Tonfall ist dabei oft sehr direkt, manchmal auch provokant. Okay, unsere Mission heute ist also für dich, die wesentlichen Punkte aus diesen doch komplexen Quellen herauszuarbeiten. Worum geht es da im Kern? Und welche systemischen Fragen werden da aufgeworfen? Fragen, die vielleicht auch über diesen Einzelfang hinausgehen? Genau. Okay, lass uns das mal genauer anschauen. Der zentrale Punkt ist also nicht bloß das Geld zum Leben, das Existenzminimum. Nein, eben nicht nur. Sondern dieses Recht auf Teilhabe, pp., was wohl so viel meint wie Teilhabe und die Perspektiven, die dazu gehören. Es geht um die Chance, selbstständig zu arbeiten, statt auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Ja. Die Quellen zeichnen da ein Bild von einem wirklich heftigen Konflikt mit dem Jobcenter Kusel und dem Sozialamt Kusel. Absolut. Der Autor sieht sich dadurch Behörden und die Justiz in seinen fundamentalen Rechten beschnitten. Er nennt explizit die Menschenwürde, also Artikel 1 Grundgesetz und das Recht auf Teilhabe nach der UN-Behindertenrechtskonvention, der UN-BRK. Und die Vorwürfe sind ja nicht ohne. Nein, die sind massiv. Untätigkeit, Verschleppung von Verfahren, Rechtsverweigerung. Er spricht sogar von anzunehmendem Amtsmissbrauch. Er beschreibt dieses Gefühl, zu einem reinen objektstaatlicher Willkür degradiert zu werden. Das starker Tobak. Ja, und das verletzt seiner Ansicht nach die sogenannte Objektformel des Bundesverfassungsgerichts, also diesen Grundsatz, dass der Staat niemanden zum bloßen Mittel degradieren darf. Ein Begriff, der immer wieder vorkommt, ist diese geforderte multidisziplinäre Bewertung im Sinne der UN-BRK. Was genau ist damit gemeint? Damit fordert er eine umfassende Beurteilung seiner Situation eben als Mensch im Autismus Spektrum. Die soll sozusagen die Grundlage schaffen für echte Teilhabe und auch für einen von ihm angeregten Feldversuch, um seine Selbstständigkeit zu erproben. Verstehe. Und das steht natürlich im krassen Gegensatz zu einem psychologischen Gutachten von November 2020. Das ist das, was du vorhin erwähnt hast. Genau. Darin wird ihm eine schizotype Persönlichkeitsstörung und eben dieses wahnhafte Querulantentum attestiert. Er hält diese Diagnose für eine gezielte Diffamierung, eine bewusste Täuschung der Gerichte durch Behördenvertreter. Er nennt da auch Assessor Juris Peter Simon namentlich. Und er wehrt sich halt vehement dagegen. Und das wirft ja direkt eine größere Frage auf, die du dir vielleicht auch stellst. Wie geht unser System eigentlich mit Neurodiversität um? Wie gut ist es darin, individuelle Bedürfnisse jenseits der Standardverfahren zu erkennen und darauf einzugehen? Gerade wenn es um Grundrechte wie Teilhabe geht. Das ist genau der Punkt. Und diese Spannung, die zeigt sich ja auch in der Sprache, die er wählt. Ja, diese sehr direkte, manchmal sarkastische Sprache. Er nennt seine Schriftsätze ja selbst manchmal Post aus dem Mülleimer der Nation. Ist das nicht riskant? Könnte das nicht nach hinten losgehen bei Behörden und Gerichten? Das ist eine berechtigte Frage. Was hier aber faszinierend ist, es wirkt als Sätze der Autor diese Sprache ganz bewusst ein. Einerseits sicher als Ventil für tiefes Leid und ja jahrzehntealte Frustration mit dem System. Verständlich nach so langer Zeit. Andererseits aber auch als eine Art ironische Umkehrung. Er nimmt diesen Vorwurf der Querulanz auf und spiegelt ihn quasi zurück, lehnt ihn damit aber gleichzeitig ab. Es ist ein Ringen um die Deutungshoheit. Das geht weit über trockene Juristensprache hinaus. Er beschreibt ja auch massive gesundheitliche Folgen, Schreibblockaden, chronische Depressionen, die dieser ständige Schriftwechsel bei ihm auslöst. Man spürt förmlich die Zermürbung. Und der juristische Kampf, der ist ja noch nicht vorbei. Nein, der läuft weiter. Berufungen sind beim Landessozialgericht im LSG Rheinland-Pfalz anhängig. Ein Aktenzeichen ist zum Beispiel L4 SO 17 25. Es gibt weitere Klagen gegen Gerichtsentscheidungen wie S3 SO 11 23. Und er hat ja angekündigt, bis ganz nach oben zu gehen. Ja, bis vor das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte EGMR. Dabei beruft er sich auch auf eine EU-Resolution zu den Rechten von Menschen mit Autismus. Und entscheidend für ihn ist dabei die Kritik an den Verfahren der unteren Instanzen. Er argumentiert, sein Kernanliegen, eben diese Teilhabe PIP, das sei immer wieder fehlinterpretiert worden. Wie zum Beispiel? Naja, mal ging es angeblich nur um Umzugskartons, mal wurde es fälschlicherweise als reine Untätigkeitsklage abgetan. Er wirft den Gerichten vor, den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt zu haben, also ihre Amtsermittlungspflicht verletzt zu haben. Okay, was nehmen wir also für dich aus diesen Unterlagen mit? Es ist ein unglaublich komplexer Fall. Der aber weit über das Schicksal einer einzelnen Person hinausweist. Absolut. Und es wirft hier einen Bürger, der mit sehr ungewöhnlichen Mitteln um seine Grundrechte kämpft, um Würde, Teilhabe, Selbstbestimmung. Und dabei auf ein System trifft, das er als bürokratisch, diskriminierend und ja, teilweise auch als rechtswidrig erlebt. Und es wirft eben diese grundlegenden Fragen auf, die du schon angedeutet hast. Wie wirksam ist der Rechtsschutz für Menschen in vulnerablen Situationen wirklich? Wie geht das System mit Neurodiversität um und mit Protest, der vielleicht nicht den üblichen Konventionen entspricht? Ja. Und wie löst sich dieses Spannungsfeld auf zwischen den individuellen Rechten, die ja in der UN, BRK und im Grundgesetz stehen, und der täglichen Praxis der Verwaltung im Sozialstaat? Und damit vielleicht eine letzte Frage, die dich noch beschäftigt, die du mitnehmen kannst. Wenn das System selbst vielleicht ungewollt dazu beiträgt, dass sich Menschen nur noch als Querulanten zur Wehr setzen können oder sich zumindest so wahrgenommen fühlen, was sagt das dann über das System aus?